Konflikte am Arbeitsplatz – Interview mit famPLUS

„Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ (Rumi)

 

Ein achtsames Miteinander ist in diesen schwierigen Zeiten aktueller und wichtiger denn je. Nie da gewesene Einschränkungen im Alltag und kollektive Unsicherheit führen nicht selten zu Streit und Konflikten. Die Nerven liegen blank. Meinungsverschiedenheiten enden in einer Sackgasse. Man verstrickt sich in Vorwürfen und Anschuldigungen: “Du hast doch aber…”, „Und immer sagst du…“, „Nie machst du …“

Manchmal braucht man spätestens dann eine dritte Person, die dabei hilft, einen Schritt zurückzutreten und einander wieder hören, verstehen und mit Wertschätzung begegnen zu können. Einen Ort „jenseits von richtig und falsch“.

Beate Reinhart, Mediatorin und Systemischer Coach, hat in ihrer beruflichen Laufbahn viele Menschen dabei unterstützt, diesen Ort zu finden. Einen Ort, an dem ein respektvoller Umgang miteinander (wieder) möglich wird. Wir wollten von ihr wissen, wie das gelingen kann und wie wir unsere Scheu vor schwierigen Konfliktgesprächen verlieren.

 

Frau Reinhart, es freut uns sehr, Sie als Kooperationspartnerin für famPLUS mit an Bord zu haben. Sie blicken ja auf einen spannenden beruflichen Werdegang zurück…

Zunächst: es erfüllt mich mit Freude und Stolz, künftig mit famPLUS zusammenzuarbeiten. Ursprünglich komme ich aus der Wirtschaft und habe fast 20 Jahre bei der internationalen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY als Consultant gearbeitet. Während dieser Zeit habe ich mein Interesse für Konfliktmanagement, Kommunikation und Psychologie entdeckt und ein Masterstudium in Mediation absolviert sowie mich zum Business Coach weitergebildet. Meine Schwerpunktbereiche sind innerbetriebliche Mediation, Coaching und Konflikttraining. Seit 2018 unterrichte ich mit viel Herzblut an der Hochschule campusM21 und an der WiSo-Führungskräfte-Akademie.

 

Als Inhaberin Ihrer eigenen Firma „Kompetenz Mensch“ betreuen Sie sowohl Unternehmen und Organisationen als auch Führungskräfte und Mitarbeiter sowie Privatpersonen in den Bereichen Konfliktmanagement, Mediation und Coaching..

Die Idee für den Namen kam mir beim Abspülen. Mit dem neuen Namen „Kompetenz Mensch“ fühle ich mich sehr wohl. Das bin ich, und da sehe ich mich. Es geht um einen ganzheitlichen, klaren Blick. Dabei sind mir Ehrlichkeit, Wertschätzung und gegenseitiger Respekt genauso wichtig wie Transparenz und Offenheit. Zu wissen, woran man ist. Sobald die Beteiligten in die Ehrlichkeit kommen – sich selbst und anderen gegenüber – ist eine gegenseitige Annäherung möglich.

 

Was genau ist eine Mediation? Wann kommt sie zum Einsatz und wie läuft so ein Verfahren ab?

Mediation (lateinisch Vermittlung) kommt ursprünglich aus den USA und ist ein Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konflikts. Mediation ist ein sehr strukturiertes Verfahren und beruht auf der Erkenntnis, dass Konflikte eher dann nachhaltig lösbar sind, wenn sich die Beteiligten von ihren Forderungen bzw. Positionen lösen und stattdessen auf der Ebene ihrer ehrlichen Interessen eine gemeinsame Lösung finden. Dabei unterstützt der Mediator die Beteiligten in seiner Funktion als neutraler Dritter. Entscheidend ist das Interesse hinter einer Forderung: Warum möchte ich das? Was ist mein tieferliegendes Motiv? Jeder muss erstmal für sich selbst erkennen: worum geht’s mir eigentlich? Erst auf dieser Basis können die Beteiligten eine allseits zufriedenstellende Lösung finden.

Ein Mediationsverfahren beruht auf bestimmten Prinzipien:

  1. Prinzip der Freiwilligkeit, d.h. alle Beteiligten nehmen aus freien Stücken teil und arbeiten aktiv an einer gemeinsamen Lösung. Im betrieblichen Bereich, also bei einem Konflikt am Arbeitsplatz, ist die Freiwilligkeit gelegentlich eingeschränkt, da die Mediation oft auf Wunsch der Führungskräfte erfolgt.

 

  1. Prinzip der Neutralität,h. der Mediator ist ein neutraler Dritter, der die Beteiligten allparteilich und unabhängig unterstützt.

 

  1. Prinzip der Vertraulichkeit,h. das Verfahren an sich, die Inhalte sowie das Ergebnis sind streng vertraulich, und auch die Beteiligten verständigen sich darauf, Stillschweigen zu bewahren.

 

Damit es den Beteiligten gelingen kann, ihre Positionen/Forderungen zu überwinden und auf die Ebene ihrer Interessen zu kommen, wird eine Mediation in aufeinanderfolgenden Schritten durchgeführt. Vor Beginn des eigentlichen Mediationsverfahrens steht die Auftragsklärung und die Frage, wer die Kosten des Verfahrens trägt bzw. wie diese aufgeteilt werden.

 

  1. Einführung in die Mediation: Die Beteiligten werden über das Verfahren und den Ablauf aufgeklärt. Welches Ziel hat die Mediation? Welche Aufgaben hat der Mediator? Welche Aufgaben haben die Beteiligten? Die Prinzipien werden erläutert und die einzelnen Schritte transparent dargestellt.

 

  1. Sachverhaltsklärung und Ermittlung der Konfliktthemen: Jeder hat die Möglichkeit, seine Sichtweise auf den Sachverhalt darzustellen. Es geht darum, in einem geschützten Rahmen die verschiedenen Sichtweisen zu klären und die individuellen Konfliktthemen herauszuarbeiten. Auf dieser Grundlage wird eine gemeinsame Themenliste erstellt und die Beteiligten legen gemeinsam fest, in welcher Reihenfolge sie diese bearbeiten möchten.

 

  1. Klärung der Interessen: Die Themen werden nacheinander aufgegriffen und die Beteiligten klären ihre themenbezogenen Interessen. Es geht darum, weg von der Forderung möglichst themenbezogen und konkret auf die jeweiligen Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten einzugehen. Das ist eine sehr wichtige Phase, da jeder in sich gehen und auch formulieren muss, um was es ihm oder ihr eigentlich konkret geht. Oft ist es erstaunlich, wie nahe sich die Interessen sind oder sich sogar decken. Wenn diese Phase erfolgreich verläuft, ist das schon mehr als die halbe Miete. Oft kommen in der Interessensphase schon die ersten Lösungen.

 

  1. Lösungsentwicklung: Auf der Basis der Interessen können nun in einem gemeinsamen Brainstorming gemeinsame Lösungen gesucht werden.

 

  1. Auswahl der Lösungen und Treffen der Abschlussvereinbarung: In dieser Phase legen die Beteiligten fest, welche Lösungen sie im Einzelnen umsetzen möchten. Hilfreich ist hier auch ein konkreter Zeitplan und eine Festlegung der Zuständigkeiten. Das Ganze mündet in einer schriftlichen Abschlussvereinbarung, die dokumentiert und unterschrieben wird. Abschließend dürfen die Beteiligten noch ein gemeinsames Motto formulieren: wie wollen wir zukünftig gemeinsam arbeiten?

 

 

Wann ist eine Mediation sinnvoll, wann eher nicht?

Grundvoraussetzung für eine gelingende Mediation ist, dass die Beteiligten bereit sind zum Gespräch und sich aktiv einzubringen. Wann macht es keinen Sinn? Wenn eine Partei nicht zum Gespräch oder zu einer Interaktion bereit ist. Gleiches gilt, wenn die Positionen so verfestigt sind, dass eine Annäherung nicht möglich ist.

 

Wie können wir uns grundsätzlich auf schwierige Gespräche vorbereiten? Da spielt doch sicher der Kontext auch eine wichtige Rolle? (beruflich vs. privat)

 

Im privaten Kontext reagiert man in der Regel um einiges emotionaler. Deshalb ist es hier umso wichtiger, einen ruhigen Moment zu erwischen. Grundsätzlich kann man sich schon auf kritische Gespräche vorbereiten. Im Vorfeld überlege ich mir und werde mir darüber klar: was möchte ich mit dem Gespräch erreichen? Was ist mein Ziel? Mit welchem Ergebnis möchte ich das Gespräch beenden? Was sind meine Themen? Welche Themen spreche ich tatsächlich an und welche behalte ich zunächst noch für mich?

In welcher Beziehung stehe ich zu meinem Gesprächspartner? Wie steht er oder sie möglicherweise zu mir? Ist das mein Chef? Mein Kollege? Mein Mitarbeiter? Wie ist unsere Beziehung? Wie möchte ich von meinem Gegenüber wahrgenommen werden?

Perspektivenwechsel: wie könnte der Gesprächspartner agieren? Argumentieren?

Aufpassen, an welcher Stelle könnte es emotional werden? Stichwort: Impulskontrolle.

Immer wichtig in jeder Kommunikation: dem anderen Respekt und Wertschätzung entgegen zu bringen. Nicht den Menschen an sich zu kritisieren, sondern allenfalls ein Verhalten oder einen Sachverhalt. Wichtig ist eine klare Trennung zwischen dem Menschen und den Themen, um die es geht.

 

Sie führen ja unter anderem auch Konfliktgesprächstrainings durch.

Ein Konfliktgesprächstraining ist eine sehr gute Vorbereitung auf ein anstehendes schwieriges Gespräch (z.B. mit dem/der Vorgesetzten). Das Gespräch wird im Vorfeld im Hinblick auf relevante Themen durchgespielt. Als Trainerin agiere ich als Sparringspartnerin und Beobachterin des Coachees: wie ist das Gesprächsverhalten? Wie möchte der Coachee im Gespräch wahrgenommen werden? Wir arbeiten sowohl an der verbalen als auch an der nonverbalen Kommunikation: Auftreten, Körperhaltung, Stimme… und natürlich auch inhaltlich an den Formulierungen. Außerdem geht es darum, Impulse zu kontrollieren. Ziel ist es, im Rahmen des Trainings an Sicherheit und Souveränität zu gewinnen.

 

Gibt’s denn allgemeine Tipps und Tricks, wie ein Gespräch gut gelingen kann – Stichwort positive Gesprächsführung?

 

  • Respekt und Wertschätzung gegenüber dem/der Gesprächspartner/in
  • Nie den Menschen an sich in Frage stellen, sondern nur ein bestimmtes Verhalten oder Thema
  • Du-Botschaften vermeiden, aus der Ich-Perspektive formulieren: was habe ich gehört, gesehen, wie kommt es bei mir an?
  • Verbindlichkeit und Vertraulichkeit demonstrieren, sich an Vereinbarungen halten
  • Keine Floskeln verwenden (der andere soll sich ernst genommen fühlen)
  • (aktives) Zuhören: nicht interpretieren, sondern nachfragen: „Habe ich das richtig verstanden?“
  • Emotionen erstmal abkühlen lassen, nach dem Motto: „Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist!“

 

 

Über Beate Reinhart

Beate Reinhart hat an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Betriebswirtschaftslehre studiert und nach ihrem Abschluss als Diplom Kauffrau nahezu 20 Jahre bei der internationalen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY als Consultant Mandanten umfassend beraten und betreut sowie zahlreiche Projekte im Bereich Corporate Social Responsibility und Risk-Management verantwortlich durchgeführt. Ihr zunehmendes Interesse für Konfliktmanagement, Kommunikation und Psychologie veranlasste sie zu einem Masterstudium in Mediation. Ferner absolvierte sie eine Ausbildung zum systemischen Executice Coach, NLP-Master und Soft-Skill-Manager im Businessbereich. Im Jahr 2008 hat sie ihre eigene Firma Kompetenz Mensch (früher Klima B) gegründet. Als Mediatorin, systemischer Business Coach und Trainerin berät und betreut sie sowohl Unternehmen und Organisationen als auch Führungskräfte und Mitarbeiter sowie Privatpersonen in den Bereichen Konfliktmanagement, Mediation, Coaching und Teamentwicklung. Seit dem Wintersemester 2018/19 ist Frau Reinhart als Dozentin an der Hochschule campusM21 und an der WiSo-Führungskräfte-Akademie in Nürnberg tätig.

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Das Interview führte Doris Kaiser, Fachberaterin Psychosoziale Beratung