Ist Quiet Quitting wirklich so negativ zu betrachten, wie innere Kündigung …
… oder kann es vielmehr auch Chancen eröffnen, um im Job gesunde Grenzen zu setzen und die Mitarbeiterführung zu verbessern?
Quiet Quitting, einer der momentanen Trendbegriffe in der neuen Arbeitswelt, hat auf den ersten Blick einen negativen Beigeschmack. Denn setzt man sich nicht näher mit diesem Begriff auseinander, könnte man dazu neigen Quiet Quitting mit innerer Kündigung gleichzusetzen. Aber ist diese Sichtweise tatsächlich richtig oder greift sie zu kurz und werden so die damit verbundenen Chancen nicht erkannt? Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit Quiet Quitting und innerer Kündigung, den Ursachen und Unterschieden und zeigt, welche Chancen Quiet Quitting sowohl für Mitarbeitende als auch für arbeitgebende Unternehmen bietet.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Carina, 30 Jahre, Master of Science Marketing, arbeitet seit fünf Jahren im Marketing der Firma AlPhi, einem mittelständischen Hersteller für Baumaschinen. Als frischgebackene Absolventin startete sie hochmotiviert, voller Tatendrang und mit vielen kreativen Ideen in ihren ersten Job als Junior Marketing Managerin. Ihr wurde die Betreuung verschiedener Projekte übertragen, wie beispielsweise die Begleitung der Einführung einer neuen Produktlinie durch flankierende Maßnahmen im Online-Marketing. Nach einiger Zeit merkte sie, dass es ihr, trotz allem Engagement, nicht möglich war, ihre Ideen wirklich einzubringen und umzusetzen. Immer wieder wurde sie von ihrer vorgesetzten Führungskraft ausgebremst. E-Mails wurden wochenlang von der Vorgesetzten nicht beantwortet oder sie gewährte ihr kein Zeitfenster für ein abstimmendes Gespräch. Ein anderes Mal erklärte sie Carina, dass die Rahmenbedingungen gerade unpassend seien oder, dass schlichtweg das nötige Budget für ihre Ideen fehle. Zudem wurden ihr die anfangs in Aussicht gestellten Weiterbildungsmöglichkeiten und Karriereschritte dann doch nicht gewährt. Carina sah ihre Hoffnungen und Zukunftsperspektiven in diesem Job schwinden und es machten sich bei ihr zunehmend Gefühle der Enttäuschung und Frustration breit. Irgendwann dachte sie sich: „Ich reibe mich hier auf, obwohl mein Engagement und meine Ideen im Grunde nicht erwünscht sind. Ich schalte jetzt mal einen Gang zurück und mache nur noch das, wofür ich bezahlt werde. Ab jetzt mache ich pünktlich Feierabend und konzentriere mich mehr auf die Dinge, die ich privat gerne mache! Das Leben besteht ja nicht nur aus Arbeit!“
Was ist innere Kündigung?
Carinas innere Resignation und die Einschränkung ihres Leistungsverhaltens sind Anzeichen für ihren stillen Abschied von diesem Job. Wenn in der weiteren Folge Gleichgültigkeit und Bitterkeit gegenüber ihrem Arbeitgeber hinzukommen und sich eventuell auch ihre Fehltage bei Bagatellerkrankungen häufen, ist ihr Weg in die innere Kündigung geebnet. In der Fachwelt wird unter innerer Kündigung die „vom Arbeitnehmer nicht explizit geäußerte, mentale Verweigerung eines engagierten Leistungsverhaltens“ verstanden.1 Mitarbeitende, die innerlich gekündigt haben, sind in Gedanken oft bereits in einer neuen Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber, verharren aber noch in ihrem alten Job, weil sie noch keine passende Alternative gefunden haben oder sich diese ihnen noch nicht geboten hat.
Verschiedene Sichtweisen auf Quiet Quitting:
In der Fachwelt wird Quiet Quitting momentan heiß diskutiert. Manche vertreten den Standpunkt, dass Quiet Quitting eine Vorstufe der inneren Kündigung ist.2 Andere sehen in Quiet Quittern hingegen Mitarbeitende, die eine klare Grenze ziehen zwischen ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und ihrem Privatleben. Was im Gegensatz zur ersteren Sichtweisen nicht bedeutet, dass sie sich ihrem Arbeitgeber und ihrem Job nicht verbunden fühlen. Ganz im Gegenteil, während ihrer Arbeitszeit sind Quiet Quitter loyale Mitarbeitende, die sich voll für ihre arbeitsvertraglich festgelegten Aufgaben und Zuständigkeiten engagieren. Quiet Quitter gehen aber nicht über das Limit hinaus, Überstunden und zusätzliche Arbeiten werden meist nicht übernommen. Nach diesem Verständnis unterscheiden sich Quiet Quitter ganz deutlich von Mitarbeitenden, die sich im Zustand der inneren Kündigung befinden. Sie haben sich weder von ihrem Arbeitgeber entfremdet, noch haben sie resigniert oder sind von ihrer Tätigkeit frustriert. Quiet Quitting ist vielmehr ein bewusster Umgang mit der persönlich verfügbaren Zeit und den eigenen Ressourcen. Es ermöglicht, sich in der vorgegebenen Zeit im Job konzentriert zu engagieren und sich mit gleicher Priorität Familienaufgaben oder Hobbys zu widmen. Quiet Quitter können auf diese Weise einer Überbelastung im Job und der damit häufig einhergehenden Stressspirale selbstfürsorglich entgegenwirken und damit die eigene Resilienz stärken. Quiet Quitting kann daher auch als ein Phänomen betrachtet werden, das die momentane Bewegung des Mindful Leadership begleitet.
Setzt man an der anderen Sichtweise des Quiet Quitting als Vorstufe der inneren Kündigung an, bedeutet das zugleich, dass der mangelnden Zufriedenheit und der damit häufig einhergehenden Frustration und Resignation der Betroffenen in ihrem Job als Ursachen ein wichtiger Stellenwert eingeräumt werden. Schon Frederick Herzberg stellte in seiner Studie im Jahr 1959 fest, dass die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitenden neben Hygienefaktoren ganz wesentlich durch sogenannte Motivationsfaktoren beeinflusst wird. Übertragen auf die heutige Arbeitswelt heißt das, dass beispielsweise ein ergonomischer Arbeitsplatz, die Möglichkeit in der Pause Kicker zu spielen oder ein gemeinsames Frühstück auf Firmenkosten, ein „nice to have“ sind, aber als sogenannte Hygienefaktoren keinen wesentlichen Einfluss auf die Steigerung der Arbeitszufriedenheit haben. „Must haves“, um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden in ihrem Job zu steigern, sind dagegen dir sogenannten Motivationsfaktoren, wie beispielsweise Arbeitsaufgaben, die als sinnstiftend und herausfordernd empfunden werden, Anerkennung und Wertschätzung der Leistung durch die Führungskraft, die Möglichkeit, an Entscheidungen partizipieren und Verantwortung übernehmen zu können sowie Perspektiven für eine berufliche Weiterentwicklung zu haben. Werden diese Zusammenhänge und Motivationsfaktoren berücksichtigt und im Führungsalltag aktiv gelebt, kann damit einer Frustration und Resignation der Mitarbeitenden entgegengewirkt werden. Tritt Quiet Quitting im Unternehmen auf, kann dies von der Unternehmensleitung auch als Anstoß genommen werden, den Fokus auf das gelebte Führungsverhalten zu richten, Missstände in der Führungsarbeit aufzudecken und durch gezielte Maßnahmen die Qualität der Mitarbeiterführung im Unternehmen zu verbessern.
Quiet Quitting kann somit aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden …
Ob Quiet Quitting als klare Abgrenzung von Arbeitszeit und privatem Leben und damit als Maßnahme der Selbstfürsorge verstanden wird oder als stiller Rückzug von einem engagierten Leistungsverhalten aufgrund von Unzufriedenheit im Job betrachtet wird, beinhalten beide Sichtweisen positive Aspekte und Chancen. Wird Quiet Quitting als ein Grenzen setzen zwischen Arbeit und Privatem verstanden, ermöglicht es, die eigene Work-Life-Balance und persönliche Resilienz zu verbessern und neue Energie und Impulse zu gewinnen, die dann mit neuer Motivation im Job wieder effektiv eingesetzt werden können. Betrachtet man Quiet Quitting dagegen als Vorstufe der inneren Kündigung, ist es für die Unternehmensleitung ein deutliches Zeichen, für die Existenz von Missständen in der Mitarbeiterführung und kann als Anlass genommen werden Maßnahmen zu ergreifen, die das gelebte Führungsverhalten verbessern und so die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu steigern.
Autoren:
Beate Reinhart, Diplom Kaufmann, Master of Mediation, Systemischer Business Coach, NLP-Master
Antonie Reinhart, Bachelor of Arts Wirtschaftswissenschaften
Quellen:
1 innere Kündigung • Definition | Gabler Wirtschaftslexikon